AUSTRALIEN V - INSELN DES OSTENS

Nachdem ich meinen Camper vor Alice Springs aufgrund von Kondenswasser im Tank im Strassengraben stehen lassen musste, reiste ich mit dem Flugzeug weiter nach Brisbane an die Ostküste Australiens. Ich verliess klimatisch sozusagen die trockene Hitze um in die feuchte Hitze zu reisen. Angekommen in Brisbane genoss ich die erste Nacht seit 10 Tagen in einem Hotel. Der morgige Tag würde mich auf die grösste Sandinsel der Erde führen; auf Fraser Island.

Im Gegensatz zu allen vorherigen Zielen, die rein fotografisch gesetzt waren, würden diese vier Tage auch einen grossen Spassfaktor besitzen. Als leidenschaftlicher Offroad-Fan, bzw. leidenschaftlicher Autofahrer war es für mich ein Muss, mit einem schönen 4x4 Auto über die Sandpisten von Fraser zu fahren und meine Sand-Skills zu erweitern.

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Als mich dann also am nächsten Morgen das Taxi vor der Autovermietung weit weg vom Zentrum von Brisbane absetzte und der Vermieter mich nach dem Führerschein fragte, war es auch schon vorbei mit der Vorfreude auf Fraser. Im Stress, den ich am Tag zuvor beim Stehenlassen meines Campers mitten in der Wüste hatte, ist wohl der Führerausweis im Wagen liegengeblieben. Selbstverständlich gibts abgesehen von einigen 3. Welt Ländern nirgends auf der Welt einen Mietwagen ohne einen gültigen Führerschein. Ich breitete vor dem Vermieter den Inhalt meines gesamten Koffers und Fotorucksacks aus, wühlte wie ein Maulwurf durch all meine Kleider, Elektronikschrott, suchte in jedem Spalt des Rucksacks und das bei 90% Luftfeuchtigkeit und angenehmen 27 Grad. Ich versicherte dem Vermieter, ich hätte ja bereits 4 Mietautos gehabt und die Campervermietung hätte Kopien meines Führerausweises, also probierte ich Apollo Camper über die Hotline zu erreichen, wie üblich in solchen Situationen nahm 25 Minuten niemand ab und dann wohl ein Hilfsarbeiter oder Azubi, der es nicht schaffte mich weiterzuleiten und die Verbindung wieder abbrach. Der Kopf des Vermieters nahm langsam aber sicher die Farbe einer Tomate an, da er extra für mich zur Vermietstation gefahren war und ich heute wohl der einzige Kunde wäre. Er gab mir 5 Minuten, fuhr zeitglich den Mietwagen wieder zurück in die Halle und Schloss ab. DANN erst kam meinem wohl überhitzten Gehirn ein Wort in den Sinn; Dropbox. Ich hatte Jahre zuvor einmal alle meine wichtigen Dokumente eingescannt und auf die Dropbox geworfen. Und siehe da ich hatte die Kopie des Führerausweises gefunden. Der Vermieter verlangte eine Kopie per Mail und alles war gut, mein Tag, bzw. der ganze Abschnitt der Reise war gerettet. Ich hatte nun jedoch ein anderes Problem. Meine Fähre vom Festland auf die Fraser Island fuhr in 4 Stunden und laut Google Maps würde ich rund 4 Stunden brauchen um den Hafen zu erreichen. Es war also ein Nullsommenspiel und das alles wegen den knapp 50min die ich hier bei der Vermietung verloren hatte. Dazu kam noch, dass ich für viel Geld einen Toyota LandCruiser gemietet hatte, nun aber ein riesiger Nissan Patrol vor mir stand. Die letzte Generation der Monster-Patrols, die in Island als Superjeeps herumdüsen. Nja - Auto ist Auto also einsteigen und losfahren. Nach zwei Tankstops (dieser Patrol schluckt wie ein Rohrspecht) kam ich praktisch auf die Minute am Fährhafen an, also rauf auf die kleine Fähre und die nächste Stunde verbrachte ich damit die Spannung abzubauen, die sich durch den Tag aufgebaut hatte. Stress ist Gift für Körper und Geist. 

Mit der Untersetzung durch den Sand
Nach der Ankunft auf Fraser genoss ich noch 400 Meter Asphalt und dann kam der Sand und zwar ziemlich tiefer Sand. Der extrem untermotorisierte und schwere Patrol (vielleicht bin ich mit Toyota einfach verwöhnt) wurde trotz 4x4 stetig langsamer beim durch den Sand pflügen also schaltete ich die Untersetzung ein und Voila, aus dem schwerfälligen Schiff wurde ein ziemlich agiler Offroader mit ordentlich Kraft. Einmal mehr hatte ich die Distanzen in Australien unterschätzt. Hatte ich bei der Planung noch gedacht ich könnte in einem Tag praktisch um die ganze Insel fahren, kam ich schon 10 Kilometer später auf die Welt. Die Distanzen auf Fraser Island sind nicht riesig, die Insel ist gerade einmal 120 Kilometer lang, aber die Strassen wurden so angelegt, dass sie nie unnötig steil sind und oft Einbahnwege darstellen, da man sich so nicht kreuzen muss (wird im Tiefsand sehr schwer). Mein erstes Ziel, der bekannte Süsswassersee Lake McKenzie.

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Fraser Island besitzt weltweit die grösste Menge an Regen-Süsswasserseen. Ich hatte zuvor gelesen, dass die Touristenmassen auf Fraser Island immens wären und dieser See das Haupttouristenziel darstellt, also hatte ich dementsprechend keine hohen Erwartungen. Da ich jedoch ziemlich spät am Nachmittag unterwegs war, kam es, dass der Parkplatz leer war und ich einen total verlassenen Lake McKenzie antraf. Und nun, zum ersten mal auf der gesamten Reise kam in mir die Lust auf, schwimmen zu gehen. Also Kleider ab und rein ins kristallklare Wasser. Nach geschlagenen 2.5 Stunden plantschen, schwimmen und den Schildkröten nachpaddeln ging dann die Sonne am Horizont unter und ich merkte, dass ich zum ersten mal auf der ganzen Reisen den Sonnenuntergang verpasst hatte, bzw. das Fotografieren völlig vergessen hatte. Diese Auszeit war nötig.

Der einmalig schöne Lake McKenzie mit seinem kristallklaren Wasser

Der einmalig schöne Lake McKenzie mit seinem kristallklaren Wasser

Am nächsten Tag entschied ich mich, den weltbekannten 75-Mile Beach entlangzufahren. Im Innern der Insel kam man nur äusserst langsam voran und immer wenn ich etwas schneller fuhr, wurde ich damit bestraft, dass alle 4 Räder den Bodenkontakt verloren ;-) (kein Scherz) Der Patrol als Panzer bewies jedoch extreme Offroadtauglichkeit und auch der Verbrauch hielt sich in Grenzen. Nach knapp 1.5 Stunden Gerumpel und Sandgewühle kam ich bei der kleinen Ortschaft Eurong an, welche den Zugang zum 75-Mile Beach freigibt. Und hier waren sie dann, die Touristenströme. Ganze 4x4 Konvois, vollgestopft bis zum letzten Platz starteten hier ihre Reise über den 75-Mile Beach. Ich hatte anfänglich ein mulmiges Gefühl. Fahrten in Island und Namibia am Sandstrand hatten mich gelehrt, dass man nie einfach so auf einem Strand fahren sollte ohne Spezialequipment oder zumindest ein zweites Auto. Ich liess sicherheitshalber die Luft auf 1.8 Bar runter und fuhr zum Strand. Spätestens dann erwies sich all mein Respekt als unnötig. Der Sand war so kompakt und vom Meerwasser genässt, dass man darauf fuhr wie auf Asphalt. Im Gegensatz, es machte riesig Spass. Mit 80 Km/h fuhr man hier über die hügeligen Sandflächen und je näher am Meer umso härter der Sand. Im Nu war ich 100 Kilometer weiter nördlich.

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Ein Mann, eine Drohne, sein Offroader und eine Pfütze führen unweigerlich zu diesem Bild.

Ein Mann, eine Drohne, sein Offroader und eine Pfütze führen unweigerlich zu diesem Bild.

Unterwegs konnte ich es nicht verkneifen meinen Multikopter, die Phantom 4 Pro, vor mir fliegen zu lassen und mich beim Fahren zu filmen. Das Witzigste fand ich die 4x4 Konvois, die ab und zu anzutreffen waren. Kamen diese Autos zum Stehen, stiegen ohne Übertreiben 8 Leute aus einem Fahrzeug das nicht grösser war als meins. Das ganze nennt sich „Self-Driving-Adventure“ - Jeder im Auto darf mal 15 Minuten fahren und den Rest des Tages sitzt er / sie zusammengepfercht im Kofferraum oder Rückbank des Offroaders und ringt nach Luft. Einmal mehr war mir bewusst, buche NIE eine Gruppenreise in Australien.

Rein fotografisch bietet Fraser Island nicht wahnsinnig viel vom Boden aus. Es ist alles hübsch anzusehen, aber ich wusste, dass dies meine einzige Reise auf diese Insel werden würde. Die besten Aufnahmen gab es aus der Luft. Praktisch alle guten Fotografien von Fraser entstanden mit der Phantom 4 Pro, waren Drohnen auf Fraser Island wie durch ein Wunder noch uneingeschränkt erlaubt. 

Die wunderschönen Sanddünen auf Fraser Island

Die wunderschönen Sanddünen auf Fraser Island

The Pinnacles auf Fraser Island

The Pinnacles auf Fraser Island

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Die 4 Tage vergingen wie im Nu, täglich ein Bad im Lake McKenzie und schon bald war ich wieder auf dem Weg nach Brisbane. Dort angekommen gab ich den Patrol ab und nahm den Flieger nach Sydney. 

Das lang Warten auf das Paradies
Von Sydney aus wollte ich am nächsten Tag zur 600km östlich von Australien gelegenen Insel Lord Howe fliegen und so stand ich am Morgen um 05.30 Uhr mit stark reduziertem Gepäck (Lord Howe erlaubt nur 14Kg Freigepäck und 7Kg Handgepäck) am Flughafen Sydney, als der Flug gelöscht wurde. Auf Lord Howe wären schlechte Wetterbedingungen und da der Flughafen nur bei gutem Wetter angeflogen werden konnte, wäre der Flug heute nicht möglich. Ich dachte ok, eine Nacht in Sydney würde ich überleben, dann der zweite Hammer. Die Flüge für morgen wären total ausgebucht, also musste ich 2 Tage in Sydney warten. Und trotzdem ging ich einen Tag später wieder um 05.30 zum Flughafen, da es immer sein kann, dass Passagiere nicht auftauchten. Und obschon ich der Erster auf der Warteliste war, nützte mir das nicht viel, denn auch die Flüge von heute wurden alle abgesagt und das gleiche einen Tag später. Am 4. Tag an dem ich um 05.30 am Flughafen stand und schon über 280 Franken für Taxis ausgegeben hatte, war es dann endlich so weit, ich sass im Flugzeug (Dash-8) nach Lord Howe. Die Tage in Sydney nutzte ich für Training, ging viel spazieren und erfreute mich an den grossen Kreuzfahrtschiffen, die an der Oper vorbeidampften.

Die Queen Victoria vor der bekannten Oper von Sydney im Schein des Vollmonds

Die Queen Victoria vor der bekannten Oper von Sydney im Schein des Vollmonds

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Lord Howe - Eine Insel wie im Traum
Nur dank dem Geheimtipp meines Reiseberaters kam ich überhaupt auf diese weit entfernte Insel. Im Gegensatz zu allen anderen Touristendestinationen wurde hier die Anzahl Touristen limitiert auf wenige Hundert zeitgleich. Als die Türe des Flugzeugs sich öffnete roch ich die frischeste Luft seit Tagen, verspürte das angenehmste Klima, dass ich je gespürt hatte, sah das süsse kleine Flughafengebäude hinter einem weissen Zaun, strahlende Menschen, die auf das Flugzeug warteten, hörte dutzende Vögel und das Rauschen des Meeres. Hätte ich es nicht besser gewusst, dachte ich wohl ich wäre im Himmel. Mit dem Auto des Hoteliers wurde ich mit 25Km/h (Maximalgeschwindigkeit auf der Insel) durch den Urwald zum Hotel gefahren, bezog mein Zimmer und mietete ein Fahrrad. Dann gings los. Die Mondsichelartige Insel war nur gerade 9.6 Kilometer lang und an der breitesten Stelle 2.8 Kilometer breit. In der Mitte befand sich der Flughafen. 

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Das Korallenriff im Innern der Insel zählt zu den Schönsten von ganz Ozeanien. Taucher aus der ganzen Welt kommen hierher, um die Vielfalt von Haien, Fischen, Schnecken und Korallen zu bestaunen. Mein Ziel von heute war es, Luftaufnahmen dieses Riffs mit den Bergen im Hintergrund zu fotografieren. Dann kam der Schock. Da sich der Flughafen im Innern der Insel befand, konnte ich in einem Radius von 3 Kilometern um den Airport nicht starten, was ich generell gut finde. Aber wenn man weiss, dass den ganzen Tag über kein Flugzeug mehr landen würde, wars doch ein wenig frustrierend. Da die ganze Insel über kein Natelempfang und nur wenige Orte über WIFI verfügten, konnte ich den Flughafen auch nicht freischalten, also fuhr ich mit dem Velo wieder den ganzen Weg zum Flughafen, fragte nach dem WIFI Passwort und lud über das DJI App die Karte der Insel runter. Und plötzlich konnte ich zumindest ausserhalb von 2.5km weg vom Flughafen starten, wenn auch eingeschränkt. Sobald in in die Nähe des Flughafens kam, liess sich das Gerät nicht mehr steuern und einmal, zum Glück über Land, verweigerte die Phantom den Rückflug zu mir und ich musste sie 4km entfernt mit Hilfe der Kamera nach Unten auf einem Wanderweg landen. Die Bilder, die ich wollte waren 2 Tage später im Kasten, dann als Nächstes kam der Hauptgrund meines Besuchs an die Reihe. 

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Auf dem höchsten Berg der kleinen Insel, dem Mount Gower, der satte 875 Meter senkrecht aus dem Meer emporschiesst, ganz zuoberst musste sich gemäss Bildern, die ich gesehen hatte, ein wunderschöner Nebel-Regenwald befinden. Die Bilder stammten von einem von zwei Fotografen, die auf der Insel lebten. Ich hatte zuvor gelesen, dass man nur mit Guide auf den Berg steigen durfte. Natürlich ignorierte ich diese Warnung und wanderte um 13.30 Uhr Nachmittags los. 875 Höhenmeter sollten in 1.5 bis 2.5 Stunden machbar sein, dann fotografieren und wieder runter. Falsch gedacht ;-) Schon der Anfang erwies sich als schwierig. Der Weg führt durch eine Felswand, die aufgrund von Steinschlag gefährlich ist. Also behielt ich den Fahrradhelm an und stieg die 80 Meter zur Wand hoch. Unterwegs begegnete ich drei Einheimischen, die mich alle fragten ob ich alleine hochwandern würde. Ich verneinte alle drei mal. Nach 2.5 Stunden, als ich dachte, ich müsste oben sein war ich erst auf 400 Höhenmetern. Die Woche zuvor hatte es hier gestürmt und zahlreiche Palmen und Bäume versperrten den Weg, ebenfalls war offensichtlich schon so lange niemand mehr auf dem Mount Gower, dass überall auf dem Weg riesige Golden Orb Spinnen ihr Netz errichtet hatten und ich mehr oder weniger um diese Netze herumsteigen musste. Da es in wenigen Stunden schon dunkel sein würde, gab ich auf und pünktlich zum Sonnenuntergang, in strömendem Regen war ich wieder beim Fahrrad.

Die Wand des Mount Gover an dessen Seite sich der "Wanderweg" teils fast senkrecht in den Himmel zieht.

Die Wand des Mount Gover an dessen Seite sich der "Wanderweg" teils fast senkrecht in den Himmel zieht.

Am nächsten Tag hatte ich einen von 2 Bergführern der Insel gebucht, der mit einer Gruppe von Ü60 Jährigen im Bus angefahren kam. Ich kannte ja schon die Hälfte des Weges, durfte dies aber nicht sagen, da der Weg dem Bergführer gehörte. Ich machte mir Sorgen, ob ein Aufstieg mit der Gruppe überhaupt realistisch war. Nach der ersten halben Stunde schickte der Bergführer die ganze Gruppe wieder zurück, da er den rutschigen, schlechten Weg als ungeeignet empfand. Da wir uns schon vom ersten Moment an super verstanden, beide Fotografen, beide hatten eine Phantom 4, beide vom gleichen Schlag Mensch, etc. liess er mich zu verstehen ich solle oben an der Wand warten. Eine Stunde später kam er zurück und wir bestiegen gemeinsam, im grössten Geplapper meiner ganzen bisherigen 6 Wochen den Mount Gower. Der „Weg“ dort hinauf gleicht vor allem oben mehr einem Klettersteig. Teils senkrechte Passagen waren nur dank Fixseilen möglich, dazu kam, dass es immer mal wieder regnete und der Boden schlammig und rutschig war. Nach 3.5 Stunden waren wir dann auf 800 Metern angekommen und mir klappte der Kiefer runter. Ich hatte wirklich schon viele Wälder gesehen, aber der Nebelregenwald, der hier oben wächst, ist absolut einzigartig.

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Dann begann Jack, der Bergführer plötzlich wie ein Wahnsinniger zu Brüllen und nur wenige Sekunden später krachte es neben uns im dichten Wald und irgendwas schien vom Himmel abgestürzt zu sein. Dann hörte ich laute Vogelstimmen und aus dem Gebüsch um uns herum kamen von allen Seiten braune Sturmseevögel angerannt. Die Vögel rannten zu unseren Füssen und liessen sich neben und zwischen unseren Füssen auf dem Boden nieder, als würden sie unsere Nähe suchen. Er meinte, ich müsste ebenfalls mal losbrüllen, also schrie ich in den Wald hinaus und nur wenige Meter neben mir krachte aus dem Nichts ein weiterer Sturmvogel direkt durch die Walddecke ins Gebüsch neben mir und rannte auf mich zu, um sich neben die Vögel, die schon vor mir sassen niederzulassen. Ich hatte sowas noch NIE im Leben gesehen.

Ein Bild mit dem iPhone aus nächster Nähe von einem neugierigen Sturmvogel, der kurz davor vom Himmel auf diesen Ast geknallt ist.

Ein Bild mit dem iPhone aus nächster Nähe von einem neugierigen Sturmvogel, der kurz davor vom Himmel auf diesen Ast geknallt ist.

Jack meinte auf meine Frage was das solle, dass man nicht genau wisse, wieso sich dieser Vogel so verhielt und die Nähe zu uns Menschen suche, aber man gehe davon aus, dass es reine Neugierde wäre. Alle lauten Geräusche locken diese Sturmvögel an und sie kommen und schauen was hier los ist. Das „Landen“ im Geäste wird von Biologen als „Crash-Landing“ bezeichnet. Da der Mount Gower abgesehen von den senkrechten Felswänden extrem dicht bewaldet ist, können die Vögel den Boden und ihre Höhlen nur erreichen, wenn sie sich durch das Blätterdach auf den Boden fallen lassen. Wenn man das mit eigenen Augen sieht, kann man sich kaum vorstellen, dass dies ohne schwerwiegende Verletzung des Vogels aufgeht. Doch auch die Woodhen (Waldralle) lebt hier oben und wandert ohne Respekt oder Angst auf und Menschen zu. Diese Begegnungen der besonderen Art sowie der unendlich schöne Regenwald machten Lord Howe für mich zum schönsten Ort der gesamten siebenwöchigen Australienreise.

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Nachdem ich von Jack die Erlaubnis eingeholt hatte noch 3 Stunden länger auf dem Gipfel zu bleiben, kletterte er bereits ab und ich genoss die Zeit im Wald bei den Vögeln. In der Dämmerung stieg ich dann den Berg hinab und im Dunkeln lief ich durch den Steilen Regenwald Richtung Meer hinunter.

Ich wünschte es gäbe eine Möglichkeit zu zeigen wie steil diese Passage wirklich ist. Ohne Seil bei nassem Untergrund definitiv nicht machbar.

Ich wünschte es gäbe eine Möglichkeit zu zeigen wie steil diese Passage wirklich ist. Ohne Seil bei nassem Untergrund definitiv nicht machbar.

Unterwegs fühlte ich mich plötzlich beobachtet von dutzenden von grünen Augen, die mich aus dem menschenleeren Urwald beobachteten. Damit ich mir sicher sein konnten, dass es KEINE Augen waren, schaltete ich die Stirnlampe aus und erst jetzt begriff ich, was den Wald um mich herum erleuchtete. Es waren hunderte luminiszierende Pilze, die aus den morschen Bäumen herausragten und mich im Sekundenbruchteil in die Welt von Avatar versetzten. Ich hatte noch zwei Stunden zu gehen und wollte nur noch raus aus dem tiefen, dunklen Wald, aber meine Fotosucht war grösser, also setzte ich mich auf den Boden, packte meine Ausrüstung aus und begann, die Pilze zu fotografieren. Dies erwies sich jedoch als schwieriger als erwartet, zumal der Boden so weich war, dass selbst ein starker Atemzug von mir zur Verwackelung des Bildes führte. Die nächsten fast zwei Stunden verbrachte ich mit Luft anhalten und fotografieren. Jedes Bild wurde besser und immer fand ich noch schönere Pilze. Dann plötzlich raschelte es neben mir und zum Wohle meines Herzens kam nur eine Waldralle aus dem dichten Busch hinter mir getrappelt und stand eine Weile neben mich. Das nächste Geräusch vernahm ich dann, als ich am Waldboden lag. Meine Stirnlampe suchte nach der Ursache des Geräuschs und leuchtete in die vielen Augen einer ca. handgrossen Huntsman Spinne, die neben mir auf dem Waldboden sass. Ich glaube ich war noch nie im Leben so schnell auf den Beinen. Nach wenigen Augenblicken zog die Spinne weiter und ich entschied mich, es ihr gleich zu tun.

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Beim Fahrrad angekommen fuhr ich noch zu Jack, dessen Haus unterwegs lag, um zu bestätigen, dass ich heil unten angekommen war. Typisch für die Australier wurde ich zum späten Nachtessen eingeladen und wir tauschten uns übers Fotografieren aus, bis tief in die Nacht. Bestünde eine geringe Chance auf Lord Howe als Fotograf zu leben, hätte ich wohl meine Familie schon am nächsten Tag eingeflogen und würde hier alt werden wollen. 

Am Tag darauf wanderte ich noch einmal Richtung Mount Gower und genoss die Wildnis und Ruhe der Insel. Die rund 400 Touristen auf der Insel hatte ich während all meinen Wanderungen so gut wie nicht bemerkt. Die meisten Leute gehen schnorcheln, tauchen oder geniessen das Paradies am Strand. Den letzten Tag meiner Reise tat ich es ihnen gleich und schnorchelte im Riff herum. Ich und Wasser ist immer so eine Sache. Ich habe null Probleme damit stundenlang durch abgelegene und verlassende Wälder zu kriechen, alleine im Kanada im Bärengebiet zu zelten, oder mit dem Kayak durch Alligatoren in den Swamps zu paddeln, aber sobald das Wasser tiefer als drei Meter wird und ich darin schwimmen muss, sch… ich mir vor Angst fast in die Hosen. So hat wohl jeder seine Ängste.

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Der Abschied von Lord Howe tat besonders weh. Denn der Weg zum Flughafen bedeutete nicht nur, dass ich die Insel verlassen würde, sondern auch das Ende einer wundervollen Reise, die mir mein ganzes Leben lang in Erinnerung bleiben würde. Doch viel wichtiger als die Traurigkeit über das Ende der Reise war die Vorfreude, meine Frau und mein Sohn bald wieder in den Armen zu halten. Und wie in meinem Beruf so üblich; die nächste Reise würde bald folgen.

Am 7. April 2017 reise ich für weitere 31 Tage nach Bolivien, Chile und Argentinien in die Hochanden. Wenn es die Internetsituation zulässt, würde ich gerne 1-2 Blogeinträge verfassen, aber nach meinen Recherchen kann ich froh sein, wenn ich auf meiner Route überhaupt einmal Mobilempfang habe. 

Michael Bissig