KATMAI ALASKA - 11 Tage inmitten der Grizzly Bären

Ich kann’s kaum glauben, dass diese 11 Tage inmitten der Wildnis vom Katmai Nationalpark in Alaska bereits Geschichte sind. So lange hatte ich mich darauf gefreut und nun denke ich mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht an die Zeit unter den Bären zurück.

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Grizzlybären, auch Braunbären genannt, faszinieren die Menschen schon seit jeher. Hollywoodfilme (The Revenant etc.) und Bücher haben dazu beigetragen, dass bei den Gefühlen, die die grossen Tiere bei uns Menschen auslösen, die Angst weit vorne auf der Liste steht. Auch mir erging es nicht anders. Ich kann mich sehr gut an meine einsamen Wanderungen und Trekkings in Alaska und Kanada erinnern. Wie ein Christbaum gespickt mit bis zu 4 Bärenglocken an Rucksack, Hose und Wanderstock bin ich jodelnd durch die Wälder gestreift, voller Angst, einem gewaltigen Grizzlybären zu begegnen. Bislang blieb mir dies jedoch bis auf zwei Begegnungen aus dem sicheren Auto erspart. Als Berufsfotograf ist es mein Privileg und zeitgleich auch mein Fluch, meine Reisen bis auf die von mir geführten Fotoreisen immer alleine bestreiten zu müssen / dürfen. Alleine tagelang durch verlassene Gegenden zu wandern und das Zelt in der Wildnis aufzustellen, kann schon einmal dazu führen, dass die Angst vor Begegnungen mit Bären, Wölfen und Pumas die Überhand gewinnt. Es ist die Einsamkeit und Abgeschiedenheit, welche daran hauptsächlich beteiligt ist.

Da mich Bären seit jeher faszinieren, begab ich mich auf eine Reise, um mich meiner Angst zu stellen und die Tiere so kennenzulernen, wie sie wirklich sind.

Ins Herzen der Bären
Ich glaube fest daran, dass jeder Mensch eine besondere Fähigkeit besitzt, die ihn einzigartig macht und ihn von anderen Menschen unterscheidet. Einige Menschen finden diese Fähigkeit und leben sie – andere suchen ihr ganzes Leben lang vergeblich danach. Meine erste Reise zu den Grizzlybären sollte mich ins Zentrum der Wildnis und den Lebensraum der schönen Tiere führen. Dorthin, wo keine Tagestouristen in Gruppen hinfliegen. Ich wollte mich während einigen Tagen den Tieren nähern können und sie nicht nur fotografieren, sondern auch kennenlernen können. Dafür wandte ich mich an einen der bekanntesten und renommiertesten Bärenexperten, Reno Sommerhalder.

Mein “Stativ” hält für mich neben Reno die Stellung

Gewaltige Bärenspuren im Sand

Der gebürtige Schweizer wanderte vor Jahrzehnten nach Kanada aus und widmet sein Leben seit über 30 Jahren den Bären dieser Erde. Von ihm sollte ich lernen, wie ich mich den Bären gegenüber verhalte, welche Anzeichen was bedeuten und wann ich mich sicher und wann unsicher fühlen durfte. Um so nahe wie möglich bei den Bären leben zu können, entschieden wir uns für das Zelt. Nach einigen Besprechungen war für uns auch schnell klar, dass der Katmai Nationalpark in Alaska der wohl geeignetste Ort dafür war, da es dort sowohl viel Bären gab, als auch eine unglaublich schöne Landschaft, die die Bilder perfekt ergänzen würden. Mein Wunsch war es von Anfang an, in drei verschiedenen Buchten reisen zu können. Einerseits wegen der Diversifikation der Landschaft, andererseits um so viele unterschiedliche Bärenindividuen wie möglich kennenlernen zu können. Aus Respekt vor den Tieren und um den Tourismus an diesen fragilen Orten nicht weiter zu fördern, verzichte ich in diesem Artikel darauf, die Namen der Buchten zu nennen. Es handelt sich aber um 2 weniger bekannte und eine bekannte Bucht im Katmai Nationalpark. Bilder unten zeigen die Szenerie von 2 der 3 Buchten.

Die Planung beginnt
So einfach man sich eine solche Reise auch vorstellen mag, es bedarf doch einiger leider sehr kostspieliger Organisation, welche sowohl Kenntnisse der Örtlichkeiten als auch ein gewisses Netzwerk aus Buschpiloten voraussetzt. Nebst dem Zelt war zu unserem Schutz auch ein Elektrozaun nötig, der die Bären daran hindern sollte, in unser Zelt einzudringen. Ebenfalls mussten wir das Equipment vom Strand und dem Wasserflugzeug an den geeigneten Campingspot tragen, somit war das Gewicht sehr entscheidend. Wir entschieden uns für 2 separate Zelte sowie ein Kochzelt bei schlechtem Wetter. Die Einkäufe erledigten wir dann vor Ort. Da Reno selbst noch nie an den 3 Orten / Buchten war, verliessen wir uns auf die Empfehlungen eines bekannten Bären-Touranbieters aus Homer, Alaska.

Die Zeit bis zur Reise verflog, wie in meinem Leben üblich rasant schnell und nach 3 Flügen stand ich übermüdet (ich kann NIE schlafen im Flieger) in Homer am Flughafen. Nach einer kurzen Nacht im Hotel gings bereits am nächsten Morgen auf Einkaufsbummel mit Reno. Der Plan, erst am nächsten Morgen mit dem Wasserflugzeug ausgeflogen zu werden, wurde jedoch vom Wetterbericht verunmöglicht. Plötzlich hiess es, entweder wir fliegen noch heute und zwar in 2 Stunden ODER wir kommen die nächsten 4 Tage nicht aus Homer raus. Der Entscheid war ein Leichter, denn sowohl Reno als auch ich wollten nur noch ab in die Wildnis von Alaska. Wir luden im Eiltempo unsere Lebensmittel in Geruchsneutrale Zip-Bags um und verteilten diese in die gemieteten Bären-Container.

Das Abenteuer beginnt
Am Beluga Lake angekommen, wartete auch schon das Wasserflugzeug, eine Cessna 207 mit Floats auf uns. Wir mussten uns und unser Gepäck genau wiegen und kurze Zeit später sassen wir auch schon im Flieger. Der Pilot wusste zwar, wo wir hinwollten, war aber schon seit einem Jahr nicht mehr dort hin geflogen und so war es von Anfang an eine Lotterie, ob wir überhaupt an dem Tag noch ankommen würden. Das Wetter beim Überflug wurde zusehends schlechter und aus ursprünglich 10 Kilometern Sichtweite wurden plötzlich nur noch 300m und noch später flogen wir im dichten Nebel. Nun hiess es Höhe abbauen und probieren unter den Wolken zu fliegen. Doch auch auf einer geradezu fahrlässigen Höhe von 30 Metern über Boden war das Meer nur im Ansatz zu erkennen. Wir flogen also nach GPS und der junge Pilot und Familienvater von 3 Kindern war kurz davor umzudrehen. Doch dann plötzlich sahen wir Land vor uns; die Katmaiküste war erreicht. Es war absolut windstill und doch war die Sicht extrem schlecht. Wir flogen so gut wie möglich der Küste nach und hielten die 30-80 Meter Höhe. Rund 5km vor unserer Bucht öffnete sich die Nebelwand und plötzlich sahen wir wieder einige Meilen weit. Genügend weit um von oben den ersten und einzigen Bären im Gebiet sehen zu können, nur unweit von dem Ort entfernt, an dem wir landen würden. Jimmy der geübte Pilot überflog das Gebiet 3x und wir erkannten in seiner Stimme, dass der Fluss, in dem wir landen würden ein nicht unbedeutendes Risiko darstellen würde, es stachen zu viele grosse Felsen aus dem Wasser hervor. Doch er beherrschte sein Handwerk und landete das Flugzeug perfekt und sicher auf dem Fluss.

Die Sicht war so schlecht, dass wir teils bis auf 30 Meter über Meer unterwegs waren.

Die Sicht war so schlecht, dass wir teils bis auf 30 Meter über Meer unterwegs waren.

Reno hatte den selben Gesichtsausdruck wie ich - Hoffentlich kommen wir lebend runter.

Reno hatte den selben Gesichtsausdruck wie ich - Hoffentlich kommen wir lebend runter.

Um dem heranziehenden Nebel entfliehen zu können, mussten wir den Flieger sofort ausräumen, damit er schnellstmöglich wieder abheben konnte. Kurze Zeit später waren wir alleine und mir dämmerte allmählich, wo wir waren. Es gab keine Anzeichen oder Spuren von Menschen, dafür schon die ersten mächtigen Bärenspuren im Sand direkt neben unserem Gepäck. Wir trugen das Material aus dem Schwemmgebiet hinaus ins hohe Gras und gingen mit leichtem Gepäck auf die Suche nach einem geeigneten Campingspot, flach und nicht direkt auf einem Bärenpfad, ebenfalls geschützt vor Wind. Und schon machte ich meinen ersten Fehler, denn ich liess die grosse Kamera im Gepäck. Von Flieger aus sahen wir nur einen einzigen Bären, der vom Fluss wegzulaufen schien. Rund 1km vom Landeplatz entfernt fanden wir einen perfekten Campingort, direkt am Fluss und umgeben von Büschen. Als wir über den Graskamm zurück zum Strand laufen wollten, stand da eine wunderschöne Bärin mit zwei rund 2.5 jährigen Jungen. Ich blieb wie angewurzelt stehen und Reno begann sofort ruhig mit den Bären zu reden. Nebst meinem Mobiltelefon hatte ich nichts dabei, also beobachteten wir die 3 Bären, wie sie in einem grossen Bogen um uns herum davon trotteten.

Die Schlafzelte hatten innerhalb des Elektrozauns Platz - das Aufenthalts und Esszelt nicht

Das Wichtigste bei den Bären ist der Elektrozaun sowie geruchssichere Essbehälter

Was für ein Anblick; Endlich war ich da - in der Welt der Bären

Wir liefen zügig zurück zum Gepäck und marschierten 3 mal voll bebackt hin und her, bis das ganze Material beim Camp 1 deponiert war. Kurze Zeit später standen die Zelte. Nun aber kam das grösste Problem. Reno hatte ausdrücklich den grössten Elektrozaun bestellt und beim Umkreisen unserer zwei “Zeltchen” fehlten trotzdem rund 2 Meter Zaun. Wir benötigten eine satte Stunde bis wir die Zelte so aufbauen konnten, dass der Elektrozaun einigermassen um uns rum passte. Und das auch nur wenn er die Zelte an diversen Orte berührte. Also hiess es, bei Regen nicht die Zelthülle berühren. :-)
Kaum stand alles, begaben wir uns zurück zum Ort der Bärenbegegnung und folgten den 3 Spuren zur ersten grossen Salzwiesen. Zu dieser Jahreszeit (Mai und Juni) gibt es für die Bären nicht viel zu essen, denn die Lachse sind noch nicht da und auch Beeren wachsen erst später. Salzgras wächst in Schwemmgebieten von Ebbe und Flut und braucht salzhaltiges Wasser um gedeihen zu können. Salzgras besitzt einen sehr hohen Proteingehalt und eignet sich hervorragend als Nahrung für die Bären. Somit war schon das erste Vorurteil, Bären würden nur von Fleisch leben, nichtig geworden.
Und Voilà, nach 20 Minuten Marsch fanden wir die Bärenmutter mit den 3 Jungen in der Wiese stehend beim Grasen. Ich alleine wäre wohl gar nicht erst näher als 300m an die Bären heran gewandert, denn eine Bärenmutter mit Jungen ist ja gemäss all meinen bisherigen Informationen sehr gefährlich. Doch Reno wollte mich eines Besseren belehren. Wir versuchten uns so zu nähern, dass uns die Bären zuerst riechen würden, statt uns zu sehen. Also machten wir einen grossen Umweg bis wir den Wind im Rücken hatten. Rund hundert Meter vor den Bären kamen wir langsam aus dem Gebüsch und die Bärin sowie die Jungen nahmen unseren Geruch sofort war und streckten ihre Nase in die Höhe. Gemäss Bärenforschern riechen Bären 10x besser als Bluthunde. Die Bären schauten uns lange an und fuhren dann mit dem Fressen fort. Nach 10 Minuten gingen wir näher an die Tiere heran. Die goldene Regel; sobald die Bären schauen, nicht bewegen und warten, danach gebückt und langsam nähern. Nach rund einer Stunde standen wir 30 Meter entfernt von den Bären, in der perfekten Distanz für mein 400mm Objektiv. Ich war hin und weg vor Freude. Die Bärin wirkte sehr entspannt und trotzdem nahm sie unsere Nähe war. Hätte ich gewusst, wie viel näher ich den Tieren in den kommenden Tagen kommen würde, hätte ich wohl damals kein Bild aufgenommen.

Vorerst noch aus sicherer Distanz (Nikon Z7 mit dem 180-400mm F4 TC 1.4 - mein meist gebrauchtes Kamera-Setting)

Ein schönes rund 2.5 jähriges Jungtier in den Salzwiesen

Die Mutter beobachtet jede noch so kleine Bewegung von uns

Sowohl Reno als auch ich trugen einen Bärenspray am Gürtel und nach einigen Versuchen, in denen er mir zeigt wie man ihn zeitgleich ziehen und entsichern konnte, war mir wohler zu Mute.
Wir verbrachten 3 Stunden bei den Bären und gingen dann zurück zum Camp um unser Abendessen zuzubereiten. Plötzlich mitten beim Essen hielt Reno inne, denn nur 15 Meter von uns und dem Camp entfernt tauchte die Bärenmutter mit den Jungen auf und kurz nachdem sie uns entdeckte, liefen sie uns die Jungen zielstrebig an uns vorbei dem Stand entlang. Die Bären waren also überall. Abends um halb 12 ging’s dann mit dem ersten Regenfall ab ins Bett und schon um halb 2 war ich wieder wach, da ich ein lautes Schnaufen neben meinem Zelt hörte. Ich lag wie versteinert im Bett, denn ich wusste, dass ein Bär um unser Camp schlich. Was sollte ich nun tun? Laut reden? Mich tot stellen? Den Reisverschluss des Zeltes langsam öffnen und dem Bären in die Augen blicken? Der Elektrozaun befand sich nur Zentimeter an meinem Zelt. Nach wenigen Minuten entfernte sich der Grizzly und ich rief rüber ins Zelt von Reno ob er den Bären gehört hätte; seine Antwort: „Ja ich hab ihn auch gehört“ mehr kam da nicht. Generell kam ich mir anfangs Reno gegenüber immer ein wenig vor wie ein kleines Kind, welches sich nicht traut. Sehr ungewöhnlich, denn normalerweise war ich in der Position des Reiseleiters und Lehrers. Aber ich hatte ja noch Zeit.

Die Ruhe vor dem Sturm
Am nächsten Morgen ging’s trotz starkem Regen wieder früh los auf Scoutingtour. Durch hohes Gras und unwegsames Gelände, durch Büsche hindurch liefen wir zum Meer hinunter und kaum hatten wir den mit Schwemmholz übersäten Strand erreicht tauchte schon ein magerer aber grosser junger Bär hinter uns aus dem Gebüsch auf. Knapp hinter ihm ein weiteres Männchen, im perfekten Winterpelz und gut in Form. Wir gingen hinter einem Baumstamm in Deckung und beobachteten das Schauspiel. Die Bären beschnupperten sich zuerst und später begannen sie zu meiner grössten Freude mit einem freundschaftlichen Kampf, der über eine Halbe Stunde anhielt.

Die Tiere kamen, abgelenkt vom Kampf immer näher auf uns zu und plötzlich war der Kampf zu Ende, denn die Tiere hatten etwas spannenderes entdeckt; UNS. Ich stand 10 Meter vor Reno und plötzlich marschierten der hellere der beiden Bären pfeilgerade auf mich zu. Ich, komplett überrascht schaute fragend und leicht panisch zurück zu Reno, der mir leise sagte; „Mach dich gross, spreche zu ihm, stehe deinen Mann. Du musst Ihm klar zu erkennen geben, dass Du nicht willst, dass er sich nähert.“ Leichter gesagt als getan. :-) Reno griff zum Glück ein und kam zu mir. Der Bär blieb in 4 Metern Distanz stehen, schaute uns an und lief dann links an uns vorbei. Meine Hand war so stark um den Bärenspray geklammert, dass ich ihn fast zerdrückte. Und wieder regnete es Strömen.

Nach diesem kurzen Schockzustand gingen wir zurück ins Camp und verliessen die Nässe auf der Suche nach dem Trockene unseres Innenzeltes. Doch dies war erst der Anfang, denn der Regen wurde noch stärker und dazu kam ein sehr starker Wind, der zum Glück vom Gebüsch um uns rum grösstenteils abgehalten wurde. Es regnete 60 Stunden ohne Unterbruch durch. Trotzdem gingen wir los und entdeckten die Umgebung. Von den Bären war jedoch fast 2 Tage lang keiner zu sehen. Auf meine Frage, wo die wohl hin wären meinte Reno nur: „Bären sind, was das Wetter angeht, wie wir Menschen. Sie mögen Regen und Wind nicht besonders, ausser in der Lachszeit, dann ist es ihnen egal. Die Tiere liegen irgendwo im Gebüsch. So taten wir es ihnen gleich und die folgenden über 2 Tage lagen wir grösstenteils im Schlafsack herum und trafen uns nur zum Kochen im Kochzelt ausserhalb des Elektrozauns (dieses hatte keinen Platz mehr im Zaun drin). Reno hatte kurz vor der Reise sein Zelt von einem guten Freund erworben, der ihm versicherte, es wäre in bestem Zustand und nie gebraucht. Nun ja - es lag 12 Jahre lang ungenutzt in der Garage herum und die Zeltwände waren nicht mehr so dicht, wie sie sein sollten. Seine anfängliche Aussage, The North Face Zelte wären meinem Hilleberg Nallo 2 GT überlegen, wurde plötzlich revidiert.

3 Tage im Zelt - Ein Königreich für meine gute Matratze und das super dichte Zelt…

Wetterumschwung und Puh der Bär
Am vierten Tag endlich war der Regen vorbei und mit dem ersten Sonnenstrahl wanderte ein sehr scheuer aber unglaublich schöner junger männlicher Bär an unserem Camp vorbei (unser Camp lag direkt am Fluss an dem sozusagen alle Bären, die das Gebiet betraten vorbeilaufen mussten). Wir konnten uns ihm nicht nähern, da er sofort wegrannte, als er uns sah. Gemäss Reno handelte es sich wohl um einen Bären, der noch nicht viele oder gar keine Menschen gesehen hatte und somit als “nicht habituiert” galt. Also nahmen wir uns Zeit, sehr viel Zeit. Ich fand den Bär so schön und flauschig, dass wir ihn von da an PU den Bären nannten. Puh war aber auch seinen Artgenossen gegenüber eher auf der ängstlichen Seite. Kam ihn ein anderer Bär zu nahe, ergriff er die Flucht. Über die kommenden 2 Tage bauten wir das Vertrauen zu ihm so stark auf, dass ich am Schluss gerade einmal 3 Meter von ihm entfernt in der Wiese sass und ihn laut und deutlich schnaufen hören konnte.

Puh sass oft auf seinem Hintern und schaute mich an, also wolle er mir etwas mitteilen.

Die Grösse der Bären wird einem erst bewusst, wenn man einen Schädel in Händen hält.

Eindrücklich fand ich auch seine Grösse - aus 30 Metern Entfernung und ohne Grössenvergleich sah er aus wie ein Wollkneuel, aber aus 3 Metern Distanz wie ein grosser, kräftiger Muskelprotz, der mich mit Leichtigkeit hätte zerfleischen können. ABER und hier kommt die entscheidende Frage; warum sollte er dies tun? Reno hat mich während diesen 11 Tagen sehr viel über Bären gelehrt. Hinter vielen tödlichen Bärenunfällen lag menschliches Versagen. Bären die erschreckt werden oder sich in die Enge getrieben fühlen, sind effektiv sehr gefährlich, aber mit einigen Verhaltenstechniken kann man dies vermeiden. Ebenfalls werden Bären gefährlich, wenn wir Menschen Ihnen den natürlichen Lebensraum mit den Lachsen, den Beeren und den Salzwiesen zerstören. Im Katmai, wo die Tiere in gewohnter und ursprünglicher Landschaft leben können, droht jedoch praktisch keine Gefahr, da der Lebensraum und die Nahrung für die Bären noch erhalten ist. Das Bild von der menschenfressenden Bestie ist nichts anderes als ein Hollywoodgemachtes Hirngespinst. Und DOCH kam es in der Vergangenheit zu Angriffen auf renommierte Bärenexperten, die leider teils auch tödlich endeten. Dies lag zum einen am Pech, auf den falschen Bären gestossen zu sein (Erklärung folg) und zum anderen daran, dass viel Bärenexperten mit der Zeit denken, sie bräuchten keinen Pfefferspray oder Elektrozaun mehr, ein fataler Fehler. Bären, vor allem die grossen Grizzys sind KEINE Kuscheltiere, der nötige Respekt und Abstand muss auch bei sehr anhänglichen und herzlichen Bären zwingend eingehalten werden. Wir Menschen möchten immer alle Tiere, die wir niedlich finden zwangsläufig berühren - dies sollte man bei Bären grundsätzlich unterlassen. Schlussendlich ist es ähnlich wie bei uns Menschen. Nicht alle Menschen, denen wir begegnen sind uns gut gesinnt - nur dass bei den Bären die Anzahl jener die dies nicht sind, um das 100 fache kleiner ist als bei uns Menschen.

Jeder Bär ist einzigartig und besitzt einen einmaligen Charakter
Was mir bei den Bären besser aufgefallen ist als bei allen anderen Tieren, die ich kenne, ist der einzigartige Charakter, den jeden Bären auszeichnen. Wie bei uns Menschen gibt es bei den Bären die Ängstlichen, die Machos, die Vorsichtigen, die Aggressiven (sehr selten bei Bären), die Anhänglichen, die Freiheitsliebenden, etc. Aber um diese Charaktere kennenlernen zu können, ist es unabdingbar, bei den Tieren zu leben und Zeit mit ihnen verbringen zu können. Etwas, das alle Bären gemeinsam haben ist, dass Sie uns Menschen NIE etwas Böses wollen. Bären, die Menschen töten, kommen zwar vor, aber äusserst selten. Jedoch wird der Ruf der bist zu 2.5 Meter hohen und 600kg schweren Raubtiere an genau jenen seltenen Vorkommnissen gemessen. Das schlimmste, tödlichste und effektivste Raubtier und ich sage bewusst Tier, ist und bleibt jedoch der Mensch.

Die 3 folgenden Bilder zeigen meine Lieblingsbären der Reise. Täglich war ich auf’s Neue fasziniert über die Gesichtszüge, die Mimik und das Verhalten, dass uns Menschen so ähnlich ist (zum Vergrössern anklicken).

Alleine ist alles anders
Nach 6 Tagen um 22.00 Uhr konnte ich Reno zum ersten Mal überzeugen, dass ich alleine zum Sonnenuntergang gehen konnte. Als Tierexperte konnte er es nicht nachvollziehen, wieso ich 3 Stunden am selben Ort auf den Sonnenuntergang warten würde, für Bärenbilder war dies eh zu dunkel. Also stand ich da und telefonierte mit dem Satellitentelefon mit meiner Frau Iris, als sich ein grosser männlicher Bär näherte. Ich war komplett alleine, 25min von Reno und dem Camp entfernt und ein mittelgrosses Männchen kam genau in meine Richtung. Ich lief langsam auf eine 3 Meter hohe Graskuppe und blieb dort oben stehen. Als der Bär 15 Meter an mich herankam, begann ich mit ihm zu reden und zückte den Pfefferspray, der Bär kam näher und stand noch 4 Meter von mir entfernt unten am Grashügel. Ich machte mit lauter Stimme einen Schritt auf ihn zu und endlich blieb er stehen und setzte sich hin um mich zu beobachten. Obschon ich Deutsch spreche, redete ich Englisch mit ihm, wohl aus Gewohnheit von Reno, oder doch weil’s Amerikanische Bären sind? :-) Kurze Zeit später lief der Bär nach rechts und den Grashügel hoch. Nun war er auf meiner Höhe. Doch dann, plötzlich setzte er sich erneut hin und lag dann plötzlich alle viere Ausgestreckt neben mir und schaute ins Gebirge raus, welches langsam rot zu leuchten begann. Ich zitterte am ganzen Körper. Was sollte ich tun, zusammenräumen oder bleiben? Ich “genoss” 2 Minuten seine Nähe und räumte dann langsam Stativ und Kamera in den Rucksack und lief mit langsamen Schritten rückwert um ihn herum davon. Ich hätte bleiben können, doch die Nähe war mir dann doch nicht mehr geheuer, und vor allem die Einsamkeit und der fehlende Bärenexperte neben mir, trieben mich ins Camp zurück - so gar nicht meine Art, aber in Anbetracht der einzigartigen Umstände halbwegs nachvollziehbar.

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Als ich rund 10 Minuten vom Camp entfernt um die Ecke lief stand da ein anderer männlicher, stattlicher Bär und schaute mit erschrocken und verdutzt an. Ich starrte zurück und bewegte mich nicht. Dann begann er zu schnauben, drehte sich um und rannte von mir fort Richtung Camp. Ich machte absichtlich einen grossen Umweg über die von der Ebbe hervorgehobene Sandband um ihm Freiraum zu lassen. Kurz vor dem Camp, welches von Büschen umringt war, kam der Bär wieder aus dem Gebüsch hinaus ohne mich zu sehen (der Wind kam mir entgegen) und ein weiteres Mal prustete und schnaubte er und rannte nur wenige Meter am Camp entfernt ins offene Gras hinaus. Mir blieb das Herz zum dritten mal innert einer Stunde stehen. Und einzig die Aussage von Reno „Der ist an unseren Zelten vorbei wie ein Güterzug“ heiterten mich wieder auf. Für mich war klar: ab jetzt würden wir wieder zu Zweit unterwegs sein.

Obschon Reno und ich dachten, es könne nicht noch besser werden kamen dann am nächsten Morgen noch 4 weitere Bären in die Salzwiese an unserem Camp. Es war einfach einmalig, den Tieren beim Interagieren zuzusehen. Es gab Showkämpfe und zu guter letzt blieben 3 Bären beim besten Licht zurück und zeigten ihre Schönheit in der landschaftlich gigantischen Szenerie. Die 3 Tage im Dauerregen waren schon einen Tag vorher in den Hintergrund geraten, aber nach diesem Tag komplett vergessen.

Szenenwechsel
Am siebten Tag hiess es dann Camp abbauen und auf das Wasserflugzeug warten. Schon Tage zuvor hatten wir mit dem Satellitentelefon (wichtigste Ausrüstung nebst Pfefferspray und Elektrozaun) einen Transfer vereinbart. Pünktlich um 3.00 Uhr und bei fast abgeschlossener Flut kam der Flieger, dieses mal eine grosse Otter angeflogen und landete vor uns im Fluss. Das Wetter war seit dem 3-Tägigen Regen nur noch traumhaft. Die rund 70 Kilometer Flug führten uns über die Katmai Küste hinweg Richtung Süden. Ich traute meinen Augen nicht, die Landschaft aus der Luft war noch viel schöner als ich es mit erträumt hätte. Die Drohne war zuhause geblieben. 1. Weil sie im Nationalpark verboten ist und 2. Weil ich die Akkus eh nicht laden konnte.

FILM (bitte Play-Symbol drücken) - Otter bei der Landung. Da der Pilot an dem Tag eine Gruppe bei einem Schiff absetzen musste und somit in der Nähe war, hatten Reno und ich das Vergnügen, mit dieser wundervollen Maschine fliegen zu können.

Die Salzwiesen und farbigen Seen aus der Luft waren einmalig schön. Nach einer halben Stunde gegen den Wind fliegen kamen wir in der nächsten Bucht an. Aufgrund des Windes konnte das Wasserflugzeug jedoch nicht bis zum Strand gelangen, also mussten wir improvisieren. Per Satellitentelefon fanden wir heraus, dass die Ursus, ein Schiff von einem befreundeten Tour Operator in jener Bucht lag. Also brachte uns das Wasserflugzeug zum Schiff und die Crew vom Schiff fuhr uns mit dem Landungsbot bis in die Nähe des nächsten Camps. Wir bauten das Camp 200 Meter neben einem Weisskopfseeadlernest auf, auf einer Anhöhe direkt an einem Bärenpfad. Die Landschaft und Aussicht war noch einmal schöner als jene, die wir die vergangenen Tage hatten. Doch aus irgendeinem Grund fühlten wir uns hier nicht so wohl, dass wir die geplanten 4 Tage hier verbringen wollten. Trotzdem bauten wir das Camp auf und gingen auf Bärensuche.

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Nach dem Durchqueren von 5 ordentlichen Flüssen (Hohe Stiefel bis zum Gesäss nötig) trafen wir auf ein Liebesbärenpaar im perfekten Gegenlicht. Wir verbrachten 2 Stunden in sicherer Distanz bei den Bären und das Männchen schien sehr uninteressiert an uns zu sein. Doch das Weibchen schnupperte ständig im Wind und irgendwann hielt sie es nicht mehr aus uns, kam auf mich zu, WIEDER auf mich, da ich wieder vor Reno im Gras lag. Und wieder kam es zu einer sehr nahen Begegnung, die darin endete, dass wir auf den Bären zugehen und anschreien mussten und uns so gross machten, wie nur möglich. Und wieder drehte die Bärin ab und liess von uns ab. Hätte ich nicht Reno dabei gehabt, der mir von Morgens bis Abends das Verhalten der Bären erklärte, wäre ich wohl davon gerannt. Ein fataler Fehler.

Radius of Comfort
Gemäss Reno hat jeder Bär seinen Radius of Comfort. Also ein Abstand zu uns, mit dem er sich wohl fühlt. Spannend ist, dass auch wir Menschen diesen Radius of Comfort kennen und tagtäglich leben. Je nachdem wer sich uns nähert und wie schnell dies geschieht, verändert sich dieser Abstand. Junge Bären und Weibchen testen diesen Radius of Comfort gerne und dies führt zu dieser Annäherung, die in uns Menschen Angst und Schrecken auslöst. Denn diese Annäherung kann teils schnell geschehen. Abhängig vom Bär und dessen Charakter. Das richtige Verhalten in so einem Fall ist es, dem Bären klar und deutlich zu machen, dass dieser Abstand zu gering ist. Auch die Bären machen uns das klar, wenn wir uns zu schnell nähern oder gar zu nahe kommen. In sehr seltenen Fällen kommt bei einem solchen Scheinangriff der Pfefferspray zum Einsatz. Viele Leute denken aber dann sofort an ein Verbrechen an der Umwelt - der arme Bär. Wir dürfen ihnen nicht weh tun. NUN genau das ist der springende Punkt. Wenn ein Bär regelmässig zu nahe oder zu aggressiv auf Menschen zukommt, führt das beim Menschen zu Angstreaktionen, entweder man rennt weg oder bewaffnete Menschen schiessen auf den Bären. Um diese beiden Fehlverhalten unsererseits zu unterbinden, kann es gemäss Bärenexperten wie Reno in manchen Fällen sinnvoll sein, dem Bären einmal eine zu „pfeffern“. Dadurch gewinnt er den gesunden Respekt zurück. Andererseits sollte es jedoch auch Pfeffersprays für Bären gegen Menschen geben, denn auch wir begeben uns teils in Distanzen die dem Bären nicht wohl sind. Es geht um den respektvollen Umgang zwischen Bären und Menschen. Was wir nicht vergessen dürfen; wir sind im Habitat der Bären und sind Gäste, also sollten wir uns auch dementsprechend verhalten. Sämtliche nahe Begegnungen mit den Bären der letzten 11 Tage basierten darauf, dass die Bären zu uns kamen (nach unserer ersten Annäherung). Spannend ist, dass vor allem in der Schweiz und Deutschland das Thema Bären extrem hitzig diskutiert wird und viele Menschen der Meinung sind, dass die Bären in unser Habitat eindringen würden. Der Fall ist jedoch, dass sie schon vor uns da waren und wir sie vertrieben haben. Es gibt die Möglichkeit Seite an Seite mit den Tieren zu leben, aber damit es nicht zu Angriffen kommt, müssen wir schon in der Schule lernen, wir wir uns Tieren wie Bären oder Wölfen gegenüber zu verhalten haben. Viele von uns lieben die Natur - aber die Tiere, auch die grossen gehören dazu. Obschon ich zu 90% nur Landschaften fotografiere, sind es immer die Begegnungen mit den Tieren, die mich berührt haben.

Reno und Puh beim Blickkontakt

Ich ganz nahe bei den Bären

Glückliche Fügung
Nach einem Tag mit Sonnenauf- und Untergang in der zweiten Bucht war für uns klar, wir wollten hier weg, die Landschaft war gigantisch aber Bären hatte es vergleichsweise wenig. Bei der ersten Bucht hatten wir über 30 verschiedene Bären gezählt, hier waren es deren vier. Ein Flug mit dem Wasserflugzeug hätte mich jedoch weitere 2’000 - 3000 USD gekostet und mein Reisebudget war sonst schon um das doppelte überschritten. Alaska, insbesondere solch individuelle Expeditionen sind unsagbar teuer, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass ich beim Verkauf der Bilder nie und nimmer die Kosten in der Höhe von CHF 20’000.- dieser Reise reinbekommen würde. Aber ich unternahm die Reise auch nicht primär mit der Absicht, Bilder zu verkaufen, sondern deswegen, eine neue Geschichte für den kommenden Vortrag vom 2021 zu erhalten und meine Ansicht zu den Bären zu ändern.
Mit dem Satellitentelefon nahmen wir erneut Kontakt mit der Ursus (Schiff) auf, die unweit von der Küste vor Anker lag und fragten, wo das Schiff als nächstes hinfuhr. Zu unserer Freude plante die Crew noch am selben Tag zur weiter nördlich gelegenen Bay zu fahren. Sie boten uns an, uns mitzunehmen und wir nahmen freudig an. Zum ersten mal in 8 Tagen wurden wir bekocht. Es gab gefüllte Wraps mit Schinken und Käsen, Heilbutt, Bohnensuppe, etc. es war ein Traum. Nach 4 Stunden auf dem Meer wurden wir in der letzten Bucht abgesetzt.

Erneut hiess es Zelt aufbauen, Elektrozaun und Umgebung auskundschaften. Doch als wir zurückkamen konnten wir nicht bis zum Camp vordringen, da aus dem Gebüsch ein gewaltiges Grizzly Männchen auftauchte, dass direkt zwischen uns und de Camp hindurchmarschierte. Auch diesbezüglich hatte ich eine falschen Vorstellung. Ich dachte die männlichen, grossen Tiere, die bis zu 600Kg wiegen, wären die gefährlichsten. Doch genau jene waren es, die uns teils ausgewichen sind oder gar gewartet haben, bis wir an Ihnen vorbeimarschiert waren. Der Respekt und die Ehrfurcht die von den Männchen ausgeht, ist unglaublich gut zu spüren. Die schiere Masse und Grösse dieser Grizzly Bullen liessen mich aber noch am letzten Tag erzittern.

Das letzte Camp lag direkt an einem stark begangenen Bärenpfad. Hier das Bild eines grossen Grizzly Männchen, der am Lager vorbeiläuft. An das Schnuppern der Bären, die in der Nacht um das Zelt herumliefen, konnte ich mich bis zuletzt nicht gewöhnen. Naja - Schlaf wird überbewertet ;-)

Dieser Koloss lief geradewegs auf uns zu, denn hinter uns befand sich sein Weibchen. Erst als ich bemerkte, wieso er uns so fixierte, ging mein Puls zurück. Zuletzt lief dieser rund 550Kg schwere Brummer ohne uns auch nur eines Blickes zu würdigen an uns vorbei.

Vorbei mit der Einsamkeit
Die letzte Bucht war zwar landschaftlich und bärenmässig die Beste, doch hatte sie einen Nachteil. Einige Unternehmen aus Kodiak und Homer boten Touren hierhin an. Je nach Tide kamen ab 09.30 Uhr 3-4 Flugzeuge mit bis zu 20 Touristen angeflogen, die Gruppen wurden über Mittag zu den Bären geschleift, dann gabs Selfies vor den Fliegern und nach 3 Stunden war die Bucht wieder unser und die Einsamkeit und Ruhe kehrte zurück. Einmal waren wir auf dem Rückweg als so eine Fotografengruppe ankam. Ich kam mir während diesen 5 Minuten vor im im Weltkrieg. 6 Fotografen mit einer Ausrüstung, für jeweils 25’000 USD schossen mit 12 Bildern pro Sekunde auf die Bären ein, dass man vor lauter Rattern der Verschlüsse nichts mehr hörte. Das Witzige daran war vor allem, dass aufgrund der Hitze und schon hochstehenden Sonne starkes Flimmern über den Wiesen scharfe Bilder praktisch verunmöglichte. Aber Reno und ich genossen es, im Gras zu sitzen und den Tagestouristen beim Flusswaten zuzusehen ;-) - Um 15.00 Uhr war wieder Ruhe und wir konnten die Bären im besten Licht fotografieren. Generell waren wir täglich von 04.30 Uhr bis um 23.45 Uhr unterwegs und haben täglich bis zu 24km zu Fuss zurückgelegt und das in Gummistiefeln. Zum Glück gibts die Wandergummistiefel Parcour von Aigle. Ich konnte so viel essen wie ich wollte, die Hosen wurden trotzdem immer weiter. In den wenigen Stunden Schlaf die wir hatten, konnte ich nicht wirklich schlafen, weil meine Ohren immer darauf aus waren, schnüffelnde Bären aufzuspüren. Die Tage NACH der Bärenreise verbrachte ich deshalb auch im Tiefschlaf.

Über 300 Grad Gebirge umgeben mich in dieser letzten Bucht. Die Sonnenaufgänge waren geradezu spektakulär.

Über 300 Grad Gebirge umgeben mich in dieser letzten Bucht. Die Sonnenaufgänge waren geradezu spektakulär.

Das Beste kommt zum Schluss
Zu dieser atemberaubenden Landschaft kam noch eine wundervolle Begegnung mit einem jungen männlichen Bär und seinem Bruder hinzu. Da er genau so plüschig und hübsch war, wie Puh nannten wir ihn ganz einfach “Blonder Puh”. Dieser Bilderbuchbär liess Reno und mich stundenlang sehr nahe an sich heran und das im besten Licht des Abends. Was für ein schönes Erlebnis, wenn ein Tier ein solches Vertrauen zu uns Menschen aufbaut, dass es sich so wohl fühlt, dass es freiwillig neben uns hin liegt und in Ruhe beginnt zu schlafen.
Vor uns liegt und frisst nun also der “Blonde Puh” und direkt auf der anderen Flussseite spielen zwei rund 3.5 Jährige Bärenbrüder miteinander. Natürlich unter der Obhut der Mutter. Hätte meine Kamera noch einen Spiegel, würde dieser wohl vor lauter Rattern zu glühen beginnen.

Abendstimmung mit Bären im Gegenlicht

Diesen Bär konnte ich gar mit dem Weitwinkel aufnehmen

Einer der für mich schönsten Bilder der Reise

Wie menschlich - die Kinder spielen und Mutti schaut zu

Der linke Jungbär kam dicht an uns heran um zu schnuppern.

Obschon erst 3.5 Jährig überragen sie mich schon fast

Nach 3 wundervollen letzten Tagen in der grössten der 3 Buchten wurden wir von einer Cessna abgeholt, die statt Floats grosse Räder montiert hatte und deshalb bei Ebbe am Sandstrand landen konnte. Mit gemischten Gefühlen, einerseits Schmerz, weil ich die Nähe zur Natur nun nicht mehr hatte und grosser Erleichterung weil ich bald schlafen könnte, ohne ständig aufzuwachen, flogen wir zurück nach Homer. Fazit - 3 Tage Regen, 8 Tage blauer Himmel mit Sonnenbrand.

GALERIE - Die schönsten auf dieser Reise aufgenommenen Bilder könnt Ihr in der folgenden Galerie anschauen: ALASKA

Bären - Der Inbegriff der letzten Wildnis
Während der Reise sprachen Reno und ich oft darüber, warum Bären die Menschen so sehr faszinieren. Alle Vorträge, Bücher oder Filme von Bären sind stets Verkaufsschlager. Der Grund dafür liegt wohl daran, dass viele Menschen die ursprüngliche und unberührte Natur schätzen und vermissen. Viele Menschen sehen, dass es mit unserer Welt bergab geht. Immer mehr Wachstum, sei dies in der Wirtschaft, in unserer Anzahl oder in unserem Können und Wissen. Wir Menschen wollen immer mehr. Und all dies auf Kosten der Umwelt. Seit der Regierung von D.Trump sind viele Ökosysteme in den USA dem Untergang geweiht. Ölbohrungen und Pipelines im Arctic Wildlife Refuge, die Bebble Mine möchte nördlich des Katmai Nationalpark eine Strasse durch das wichtigste Lachs- und Wildgebiet bauen und mit dem Abbau von Erdschätzen beginnen, etc.
Für jene Menschen, die diese Entwicklung nicht möchten, und mit Argwohn der Zukunft entgegenblicken, ist der Bär das Sinnbild für eine Welt, in der noch alles so zu sein scheint, wie es vor Jahren war. Doch genau hier zeigt sich die Widersprüchlichkeit von uns Menschen erneut (mich zuvorderst eingeschlossen) - Wir möchten die Natur schützen und trotzdem nicht auf den Luxus verzichten, diese Tiere und Landschaft selbst zu bereisen. Wir möchten die Ölbohrung in Naturschutzgebieten unterbinden, fahren aber selbst mit dem Auto herum. Wir sind gegen Atomkraftwerke und die Ausbeutung der Erde, besitzen aber dutzende von Geräte, welche aus seltenen Erden und Batteriechemikalien bestehen oder fahren gar ein Elektroauto mit 800Kg schweren Batterien. Wir sind für Nationalparks und Schutzzonen, träumen aber trotzdem alle vom Haus am See mit Umschwung.

Schlussendlich können wir es drehen und wenden wie wir möchten. Die letzte Wildnis, wie sie jetzt an einigen wenigen Orten der Erde existiert, schützen wir nicht, in dem wir nur den Abfall trennen. Bären als gefährlich anzusehen ist Usus im Vergleich zur Gefahr, welche von unserem Handeln und unserer Habgier ausgeht - und da schliesse ich mich grundsätzlich ein. 

Stefan Forster, Fotograf

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